Sie sieht sich die Natur ganz genau an. Nahezu wie eine wissenschaftliche Zeichnerin untersucht Paula Lindl mit ihrem Zeichenstift die Lebewesen, die ihr begegnen. Jedoch auch physikalische Phänomene interessieren sie. Obwohl ihre Lehrkräfte am Gymnasium versuchten, sie zu besänftigen mit Sätzen wie „Du wirst in einer kreativen Branche arbeiten, du musst es nicht verstehen“ blieb es nicht nur bei der kreativen Branche. Denn heute ist sie neugierig auf alles und lässt sich faszinieren von Prozessen wie Zellteilung und Gravitation. Etwas Schöneres kann einer Künstlerin eigentlich nicht passieren. Um noch mehr mit der Wissenschaft in Kontakt zu sein, lebte und arbeitete sie vor Kurzem einige Wochen in einer biologischen Forschungsstation im Naturschutzgebiet Rieselfelder in Münster. Als Studentin in Kommunikationsdesign an der HSBI konnte sie auf diese Art noch intensiver in die Welt der Naturforschenden eindringen. Während dieses Praxissemesters in der Station untersuchte und zeichnete sie bedrohte Vögel und Organismen und produzierte eine große Anzahl von Zeichnungen der Flora und Fauna. Mit außerordentlich feinfühligem Strich scheint Paula Lindl in ihren Zeichnungen die Welt zu ertasten. Man spürt förmlich die Beschaffenheit der Lebewesen, deren Körper und Oberflächen. In nuancierten Grauabstufungen stellt sie Querschnitte und Diagramme in verschiedenen Ebenen dar. In Ansichtstafeln versucht sie Phänomene visuell zu erklären. Es handelt sich hier um zeichnerische Fragen und Erklärungsversuche. Und es scheint das Natürlichste zu sein, mit Hilfe von Zeichnungen die Welt zu ertasten. So sachlich ihr Zeichenstil auch ist, so ehrlich, aber auch liebevoll ist er. Das atelier D zeigt seitApril letzten Jahres künstlerische Arbeiten zum Thema Natur und Umwelt unter dem Arbeitstitel: DIE LETZTEN IHRER ART. Es geht darum zu zeigen welche Standpunkte die einzelnen Künstler beziehen und wie sie unseren Planeten sehen. Paula Lindls Ausstellung Readings of Nature verbindet in wunderbarer Weise den wissenschaftlichen Blick mit dem Künstlerischen, ohne dabei in der Ausdrucksweise zu stark expressiv zu werden. Im Gegenteil, man hat das Gefühl, dass sie mit großer Einfühlsamkeit einzudringen scheint, in die Materie anstatt oberflächlich darzustellen. Dies zeigt auch, dass das fragende Sehen ein künstlerischer Standpunkt sein kann. Interpretation und Duktus treten angesichts der Magie zurück, die den Wesen, die der Natur entspringen innewohnt. Diese Zeichnungen können eine Brücke bilden zwischen der Welt der Wissenschaften und der Künste, denn sie machen nicht nur sichtbar sondern auch fühlbar welche Wunder die Natur hervorgebracht hat. Vielleicht überträgt sich das Staunen darüber auch auf Besuchende dieser Ausstellung und stimmt sie nachdenklich.